PM BvLB zu den Entscheidungen der Kanzlerin und Ländern - Berufliche Bildung braucht Mutanfall

Berufliche Bildung braucht „Mutanfall“

BvLB: Mit Bürokratieabbau und Pragmatismus Mängelliste in der Corona-Krise ausmerzen

 

Der Erkenntnisgewinn schafft Hoffnung: Schulen sind sehr wohl Infektionsherde – und werden es noch lange bleiben. Eine Tatsache, der sich jetzt auch die Kultusminister*innen bei der jüngsten KMK-Konferenz gestellt haben und das bisherige Mantra der „sicheren Schulen“ zum Neustart nach den Ferien gegen ein dreistufiges, inzidenzgekoppeltes Modell mit Wechsel- und Hybridunterricht getauscht haben. Präsenzunterricht um jeden Preis ist damit eine klare Absage erteilt worden. Die heutige Entscheidung der Länderchef*innen, die Schulen flächendeckend bis zum 31. Januar geschlossen zu halten und den Präsenzunterricht auszusetzen, ist da nur konsequent.

 

„Das ist gut und richtig – auch wenn Präsenzunterricht höchste Priorität hat. Denn nur, wenn man Kontakte minimiert, Klassen halbiert, damit kleine Lerngruppen schafft, können auch in den beruflichen Schulen die AHA-Regeln eingehalten und das Infektionsgeschehen reduziert werden. Nur reicht das nicht“, sagt Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB). Er fordert einen „Mutanfall“ der Politik auf allen Ebenen und betont: „Das Virus wird uns noch lange begleiten. Daher ist es notwendig, die differenzierten Modelle, die der Hybridunterricht bietet, nicht als Ausnahme abzunicken, sondern als Ergänzung zu verankern. Hybridunterricht erlaubt, den Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht wie mit einem Regler passgenau auf die jeweilige Situation feinzujustieren.“

 

„Um den Gesundheitsschutz zu erhöhen, müssen Klassenräume mit Luftreinigern und Plexiglasscheiben zwischen jedem Sitzplatz ausgestattet werden. Digitale Endgeräte müssen angeschafft und mehr Lehrkräfte eingestellt werden. Statt bloßer Ankündigungen brauchen wir dafür einen Mutanfall, um schnell, unkonventionell und unbürokratisch mit Hands-on-Mentalität diese Mängelliste abzuarbeiten. Und wir brauchen langfristig, tragfähige Strategien, um Bildungsgerechtigkeit und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler nach bestmöglicher Ausbildung gewährleisten zu können. Denn nur so kommt die berufliche Bildung durch die Corona-Krise“, sagt Maiß

 

Die Mängelliste, um die Schulen technisch in die Lage zu versetzen, die Distanzphasen auf Präsenzniveau zu heben, ist lang: „Die versprochenen Endgeräte für Lehrkräfte können nicht bestellt werden, weil überbordende Bürokratie das Ausgeben der bereitgestellten Gelder verhindert. Hier braucht es den Mut, Vorschriften zu ändern. Es braucht Mut, bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die digitale Transformation mit Leben zu füllen und die berufliche Bildung zukunftssicher aufzustellen – auch wenn es Geld und Zeit kostet. Eine funktionsfähige Bildungscloud, leistungsstarke und für kollaboriertes Lernen geeignete Softwarelösungen, umsetzbare e-didaktische Unterrichtskonzepte und entsprechende Fortbildungsangebote sind die elementare Basis für zukunftsweisenden Unterricht – auch, um den Anforderungen der Betriebe als dualer Ausbildungspartner gerecht zu werden“, sagt Maiß.

 

Mut braucht es auch, um die Lehrkräfte endlich zu entlasten, um den Frust abzubauen, der sich in dem chronisch unterversorgten System mit eklatantem Lehrkräftemangel aufgestaut hat, die Motivation jedes einzelnen wieder zu steigern und so einen Kollaps der beruflichen Bildung abzuwenden. „In Folge der freien Ausbildungskapazitäten an den Universitäten sinkt die Zahl der originär ausgebildeten Berufsschullehrkräfte signifikant und dies vor dem Hintergrund einer sich verstärkenden Pensionierungswelle. Auch wenn alte KMK Absprachen dagegenstehen, braucht es den Mut, den Zugang für Quereinsteiger auszuweiten und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Denn ohne zusätzliche Lehrkräfte werden wir weder Corona noch die Zeit danach bewältigen“, sagt Maiß.